Vier Schulchöre und das Schüler-Symphonie-Orchester Stuttgart begeistern mit „Ein deutsches Requiem” von Brahms die Besucher im fast ausverkauften Theatersaal des Forums.
Von Harry Schmidt
Fast alle der 1248 Plätze im Theatersaal waren besetzt, als am Mittwochabend unter dem Titel „Begegnungen der Schulmusik” das Schüler-Symphonie-Orchester Stuttgart (SSO) mit drei Chören von Gymnasien aus der Region und einem tschechischen Gastchor zu einem außerordentlichen musikalischen Ereignis zusammentrafen.
Das SSO wurde vor 25 Jahren mit dem Ziel gegründet, überdurchschnittlich qualifizierten Schülern die Möglichkeit zu geben, sich Werke zu erarbeiten, deren Anspruch das Niveau eines Schulorchesters übersteigen. Seine Mitglieder rekrutieren sich aus über 40 Schulen des Regierungsbezirks. Jährlich stellt das Projektorchester seine Arbeit vor.
Zum letzten Mal stand an diesem Abend Frank Kleinheins, der das Ensemble seit 15 Jahren leitet, als Dirigent vor dem SSO. Mit der Aufführung von „Ein deutsches Requiem”, das Johannes Brahms zwischen 1865 und 1868 geschrieben hat und das ihn weithin bekannt machte, setzte er einen weiteren Meilenstein der Schulmusik an den Schlusspunkt seiner Tätigkeit.
Vor dem Hauptwerk des Abends gab Kleinheins mit dem ersten Satz von Tschaikowskys fünfter Symphonie e-Moll, op. 64 (1888) eine Kostprobe vom Können des SSO: Elegisch erklingt im Andante das Schicksalsmotiv in den Klarinetten, behutsam die Aufnahme durch die tiefen Streicher, breit gestaffelt die Entwicklung im Scherzo, fein schattiert die Reprise. Tosender Beifall war der Lohn für die 80 jungen Musiker.
Als sich daraufhin der blaue Vorhang hebt, wird der Blick frei auf die 280 Chorsänger des Abends. Für die Aufführung des Requiems haben sich der Chor des Ludwigsburger Goethe-Gymnasiums (Leitung: Grit Steiner), die Chöre des Stuttgarter Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums sowie des Ferdinand-Porsche-Gymnasiums in Zuffenhausen und das Matyáse-Lercha-Gymnasiums aus dem tschechischen Brünn zusammengetan.
Wie von Brahms intendiert, wird der Trost zum Leitmotiv des Requiems, zielen gerade die enormen Volumen der Chöre auf Erbaulichkeit statt auf Wehklage. Strahlend die Soprane, von transparenter Eindringlichkeit die Alto-Stimmen, kraftvoll und aussdrucksstark die Tenöre, sonorer Tiefgang von den Bässen. Fesselnd das Geflecht der Stimmen in den vierstimmigen Passagen, wie kolossale Wogen die Kanon-Bewegungen durch die Stimmgruppen.
Fast explosiv ihr „Tod, wo ist dein Stachel?” im sechsten, Gänsehautmuskelkater nach „Selig sind die Toten” im finalen Satz. Die Solopartien übernahmen Daehyun Ahn (Bariton) und Minyoung Catharina Lee (Sopran), beide gefielen mit angenehmem Timbre und dynamischer Gestaltung. Der Reinerlös kommt der Aktion „Freunde der Kinder von Tschernobyl” zugute. Ein grandioses Musikerlebnis.
Aus: Ludwigsburger Kreiszeitung vom 16.10.2015