Immer wieder wagt sich Hans-Joachim Renz, Kantor und Organist der Stiftskirche, an größere musikalische Projekte. Herausforderung diesmal war ein Meilenstein der abendländischen Musikgeschichte: „Ein deutsches Requiem“ op. 45, von Johannes Brahms.
Von Marina Heidrich
BACKNANG. Das Chorkonzert mit der Kantorei der Backnanger Stiftskirche fand im ausverkauften Backnanger Bürgerhaus statt. Begleitet vom collegium musicum stuttgart lieferten die Backnanger Sänger eine Leistung, die auch das teilweise sehr kritische Publikum überzeugte und am Ende für minutenlangen Applaus sorgte. Der Protestant Johannes Brahms, im evangelisch-lutherischen Hamburg aufgewachsen, hielt sich mit seinem siebensätzigen Werk an die Riten der katholischen Totenmesse, über zehn Jahre arbeitete der Komponist immer wieder an seinem Requiem. 1869 wurde das Werk dann in Leipzig in voller Länge aufgeführt, Brahms wurde damit zum kompositorischen Shooting-Star seiner Zeit. Ein Novum hierbei war, dass Brahms zwar die Strukturen der katholischen Liturgie beibehielt, allerdings nicht die lateinischen Worte vertonte oder ins Deutsche übersetzte, sondern vollkommen andere Bibelstellen in seiner Muttersprache verwendete. So erschaffte er mit den Worten der Heiligen Schrift ein durch und durch menschliches Werk, das nicht die Erlösung der Toten im Jenseits zum Mittelpunkt hat, sondern den Trost für die Hinterbliebenen in den Mittelpunkt setzt.
„Selig sind, die da Leid tragen“ – traurig und schwermütig beginnt das Opus zunächst andächtig mit dunklen Streichern und einer erlösenden Harfe, im zweiten Satz findet das Thema eine zunächst fast bedrohliche Steigerung – dramatische Pauken untermalen die Aussage „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“. Doch der Chor steigert sich am Ende zu einer jubilierenden, positiven Aussage – Freude und Wonne ohne Schmerz.
Im dritten Satz singt Tobias Schabel den Solo-Part. Der hochgewachsene Bass-Bariton, dessen warmes Timbre an den satten Ton einer schweren Bronzeglocke erinnert, nimmt die Zuhörer sofort für sich ein. Auch der zweite Gast des Abends, Sopranistin Angelika Lenter, harmoniert optimal mit dem Chor der Backnanger Kantorei. Generell ist eine deutliche Ausgewogenheit in der Abstimmung hörbar, die Musiker des collegium musicum spielen bewusst auf historischen Instrumenten oder deren Nachbauten, was eine akustisch einseitige Dominanz verhindert.
Chor, Solisten und Orchester schaffen ein homogenes Klanggefüge, alle unter der musikalischen Leitung von Hans-Joachim Renz vereint, der es immer wieder schafft, besondere Schwerpunkte auf die durch die Musik transportierten Emotionen zu setzen. Emotionen, die beim Publikum ankommen.
Einzig ein Kritikpunkt ist von mehreren Besuchern zu hören: Auf die Pause nach dem 3. Satz hätten sie gerne verzichtet. Viel zu schnell fühlten sie sich dadurch aus der bis dahin geschaffenen feierlichen Stimmung gerissen.
aus: bkz-online vom 24.11.2015