Marbach. Eine großartige Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach (Teile I bis III) haben die Besucher am gestrigen Sonntag in der voll besetzten katholischen Kirche Zur Heiligen Familie erleben dürfen. Am Schluss gab es viel Beifall.
Weil in Marbach seit langer Zeit kein Weihnachtsoratorium mehr zu hören war, haben sich der Projektchor "Kammerchor Marbach", ein Orchester- und ein Solistenensemble spontan zusammengefunden. Trotz der relativ kurzen Übephase - das Ensemble hat sich erst in der Adventszeit zusammengefunden - war die Aufführung alles andere als eine regionale Verlegenheitslösung, vielmehr eine professionelle Meisterleistung.
Kaum ein Werk gehört so sehr zu Weihnachten wie der Zyklus der sechs in sich geschlossenen Kantaten des Bachschen Weihnachtsoratoriums, von Kennern schlicht als "WO" benannt. Mit kraftvollen Chören, festlichen Bläserklängen und besinnlichen Arien zwischen rezitativen Bibeltexten erfahren die Zuhörer die Geschichte von der Geburt Jesu. Von den sechs Einzelkantaten für die jeweiligen Festtage wurden gestern die ersten drei aufgeführt.
Die Zuhörer erleben die Weihnachtsgeschichte als musikalisch aufbereitete Predigt mit der Botschaft: Krippe und Kreuz gehören zusammen - das Kreuz ist das eigentliche Ziel der Menschwerdung Christi. Deutlich wird dies bei dem Choral "Wie soll ich dich empfangen" nach der Melodie "O Haupt voll Blut und Wunden". Transparent und dennoch machtvoll jubelnd der von Pauken und Trompeten begleitete Eingangschor "Jauchzet, frohlocket" - der Ruf an die Christenheit, sich auf die Ankunft des Herrn vorzubereiten. Im zweiten Teil wird die Nachricht von der Geburt des Gottessohnes an die Hirten berichtet. Der dritte Teil beschreibt den Weg der Hirten zu Stall und Krippe nach Bethlehem. Doch der Weg führt weiter nach Golgatha und zum himmlischen Jerusalem.
Der Projektchor, mit jeweils fünf bis sechs Einzelstimmen relativ dünn besetzt, glänzte durch kultiviertes Singen, überzeugte durch transparente und sachliche Interpretation bei den Chorälen ebenso wie bei dem motettisch strengen "Ehre sei Gott", untadelig und stimmlich ausgewogen.
Das Solistenquartett war mit Konstanze Fladt (Sopran), Marie Helle (Alt), Johannes Kaleschke (Tenor) und Jens Hamann (Bass) großartig besetzt. Die vier Solisten aus der Stuttgarter Region und zum Teil im Marbacher Raum wohnend, überzeugen durch hervorragende gestalterische Textinterpretation. Allen voran der Bassist, der seine volle Stimme in jeder Nuance bestechend einzusetzen wusste. Auch die Altistin, von der man sich manchmal eine tiefere Färbung gewünscht hätte, zeichnete sich durch gestalterische Biegsamkeit aus. Die Sopranistin gefiel mit ihrer klaren, der Tenor mit weicher Stimme, bei den Rezitativen wie auch bei der Arie "Frohe Hirten" überzeugend.
Mit dem Orchester hatte der Dirigent Martin Kaleschke ein optimales Ensemble zur Verfügung, das klangschon musizierte. Die Trompeten waren mit Hubertus von Steckelberg, Thomas Reiner und Andrea Schneider hervorragend besetzt.
Marbach, 29.11.2008