Am Karfreitag (18. April) kommt in der Ludwigsburger Stadtkirche Felix Woyrschs selten gegebenes „Passions-Oratorium“ zur Aufführung. Wir [von der LKZ] haben Bezirkskantor Fabian Wöhrle bei den Proben mit dem Ludwigsburger Motettenchor und dem Chor der Stadtkirche besucht.
Von Harry Schmidt.
Ludwigsburg. „Verspottet! Geschmähet!“ Wie akustische Backpfeifen schleudern einem die Soprane ihre erregten Interjektionen in rascher Folge abwechselnd von links und rechts entgegen. Immer wieder unterbricht Fabian Wöhrle die Proben zu diesem komplexen, teilweise achtstimmig geführten Eingangschor voller dramatischer Wirkungenn, mit denen das „Passionsoratorium nach Worten der Heiligen Schrift” (Op. 45) von Felix Woyrsch anhebt, feilt mit Sängerinnen und Sängern des Ludwigsburger Motettenchors und des Chores der Stadtkirche intensiv am Ensemble-Klang, immer wieder singt der Bezirkskantor auch vor, wie er sich Einsätze der Stimmgruppen in Sachen Timing, Dynamik, Artikulation und Prosodie vorstellt.
Zur vorvorletzten Jahrhundertwende allgemein anerkannter und geschätzter Komponist, geriet Felix Woyrsch im Lauf des 20. Jahrhunderts rasch in Vergessenheit. Zu sehr der Vergangenheit verhaftet erschien sein introvertierter, spätromantischer Personalstil den nach Innovation gierenden Zeitgenossen. Erst in den Neunzigerjahren setzte eine erneute Rezeption ein – bis dahin dürften mit einst bekannten Werken wie dem 1899 uraufgeführten „Passions-Oratorium” lediglich die Einwohner von Hamburg-Altona in Berührung gekommen sein, wo Woyrsch als städtischer Musikdirektor wirkte und eine lokale Aufführungstradition herrscht.
Emotionale Klangfarben
In der doppelchörigen Anlage seines „Passions-Oratoriums” lassen sich unschwer die Umrisse der Bach'schen „Matthäus-Passion” ausmachen, die inwendigen, emotionalen Klangfarben wirken in der Tradition der beiden großen Oratorien von Mendelssohn Bartholdy, unverkennbar auch der Bezug auf „Ein deutsches Requiem nach Worten der Heiligen Schrift”, das Johannes Brahms 1868 (ebenfalls als Op. 45!) in Druck gab. Im Prinzip sei die Woyrsch-Passion „das Passions-Oratorium, das Brahms nie geschrieben hat”, so der Bezirkskantor.
Bislang haben die beiden gemischten Chöre, die Wöhrle aus Mitgliedern des Motettenchors und des Stadtkirchenchors besetzt hat, getrennt geprobt. Bei der ersten gemeinsamen Probe gilt es nun, die Ensembles zu verzahnen – „mit offenen Ohren und Nachdruck”, so die generelle Maxime des Bezirkskantors, der aber auch auf Details der Akzentuierung eingeht: Das Crescendo auf „Menschensohn” klingt ihm noch etwas zu krass” – „so ein bisschen einrunden“ wäre gut. Das finale „töten” am Ende der letzten Zeile der Lukasbibelstelle hingegen bleibe im Ausdruck noch etwas zu harmlos. Zwischendurch darf die konzentrierte Arbeitsatmosphäre aber auch kurz mal eine Auflockerung erfahren: „Spiel doch mal was anderes“, sagt Wöhrle zu Philipp Kaufmann, der die Probe am Flügel begleitet, worauf der junge Stuttgarter Organist gleich en paar muntere Takte improvisiiert.
„Die Harmonik und die Stimmführung der Woyrsch-Passion sind durchaus spannend“, erklärt Wöhrle zu den Herausforderungen der Partitur, die zudem kaum jemand im Ohr habe. Für die Aufführung am Karfreitag (18. April) um 18 Uhr in der Ludwigsburger Stadtkirche werden das Orchester der Stadtkirche sowie die Solisten Susanne Langbein (Sopran), Sabine Czinczel (Alt), Christian Georg (Tenor), Florian Schmittbohn (Bariton) und Malte Kebschull (Bass) zu den Sängerinnen und Sängern der beiden Chöre hinzustoßen.
aus: LKZ vom 25. März 2025