Von Harry Schmidt, Ludwigsburger Zeitung, 3. Juli 2018, Seite 24
Ludwigsburg. Es gehört zu den berühmtesten Werken seines Komponisten wie der Gattung überhaupt: das Oratorium „Die Schöpfung”. Wofür Joseph Haydn anlässlich der Uraufführung 1799 im alten Wiener Burgtheater mit „Wir wollen Papa Haydn!”-Rufen gefeiert wurde, war am Sonntagabend in der Stadtkirche zu hören. Mit rund 90 Sängerinnen und Sängern des Stammchors und des Projektchors war das Chorforum angetreten, um gemeinsam mit Solisten der Staatsoper Stuttgart und dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim unter der Leitung von Christoph Schweizer Haydns großen Wurf aufzuführen. Mit diesem knüpfte die Vaterfigur der Wiener Klassik an die großangelegten Chorwerke Händels an, die der österreichische Tonsetzer bei seinen Englandaufenthalten kennengelernt hatte.
Allerdings fährt Haydn die noch von der Barockoper herrührende Dominanz der Arien zugunsten der Chorpassagen weiter zurück. Der Anspruch von Chorsätzen wie dem gewaltigen „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes” am Ende des ersten Teils ist nicht zu unterschätzen, seit einem dreiviertel Jahr laufen die Proben des Chorforums. Der Eindruck in der bestens gefüllten Stadtkirche: Mission gelungen. Mit fulminanter Strahlkraft intoniert ihr „Es werde Licht!“ in „Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde”, wo der Gestus der Aufklärung anklingt, prachtvoll formulierte Erhabenheit im Schlusschor „Singt dem Herren alle Stimmen”. Auf hohem Niveau bewegten sich auch die Arien und Rezitative der von Fabian Wöhrle am Cembalo begleiteten Solisten in den Rollen der erzählenden Erzengel: Der klare und durchdringende Sopran von Alice Fuder beeindruckte mit sicher geführten, wenngleich nicht komplett mühelosen Koloraturen als Gabriel und Eva, während Gergely Németi als Uriel ein etwas eindimensionaler Tenor blieb. Ganz im Gegensatz zu Magnus Piontek, der als Raphael und Adam ein ums andere Mal mit ausgezeichneter Artikulation und profunder Gestaltung bis in die tiefsten Lagen hinein zu begeistern wusste. So quicklebendig wie geläufig auch das Kammerorchester. Großer Applaus für eine geglückte Aufführung dieser farbenprächtigen geistlichen Programmmusik.