Längst kein Geheimtipp mehr

Das Heinz-Güller-Vokalensemble ehrt mit einem hörenswerten Programm seinen Namensgeber
Geislingen / Ulrich Schlecht 21.03.2018 | swp.de
 

Die Konzerte des „Heinz-Güller-Vokal­ensembles“ sind längst über den Status eines Geheimtipps hinausgewachsen, und so war am Sonntagabend eine ansehnliche Besucherzahl in die Geislinger Stadtkirche ge­kommen, als dort musikalisch des 100. Geburtstags des Chorleiters, Klavierlehrers und Komponisten Heinz Güller gedacht wurde. Dabei fügten sich Werke unterschiedlichster Herkunft und Stil­art zu einer anspruchsvollen und durch die ­jeweiligen Formationen höchst gelungen dargebotenen Vortragsfolge.

„Like as the hart desireth the waterbrooks“ (Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser), der in Englisch gesungene Psalm 42, bot dem stattlichen Männerchor eine prächtige Gelegenheit, sich vorzustellen. Die Komposition von Percy Jackman (1859-1937), eingerichtet von Martin Geier, wurde unter dem Dirigat von Walter Johannes Beck zu einer glanzvollen Demonstration hochromantischer Chorkunst, bei der besonders die Tenöre durch ein schönes, geschlossenes Klangbild gefallen konnten.

Heinrich Ignaz Franz Biber, ein aus Böhmen stammender Geigenvirtuose, schuf mit seinen sogenannten Mysterien- oder Rosenkranzsonaten Werke von großer Schönheit wie auch von hoher Schwierigkeit. Heinz Güllers Tochter Christiane Gagelmann mit der Barockvioline und Bernhard Prammer an der Truhen­orgel spielten vier dieser Sonaten, welche trotz der religiös orientierten Bezeichnung keine Programmmusik darstellen, sondern stimmungsmäßig, assoziativ Bilder aus dem Leben von Jesus und seiner Mutter allenfalls ahnen lassen; so, wenn in der 1. Sonate (Die Verkündigung) ein absteigendes Motiv den zu Maria tretenden Engel zeigen könnte. Der Komponist verlangt dazu jeweils anders gestimmte Instrumente, wodurch neue Farben und in Doppelgriffen unkonventionelle Tonkombinationen ermöglicht werden. Christiane Gagelmanns Spiel verriet freilich nichts von den dadurch erhöhten spieltechnischen Anforderungen, sondern sie machte innig-zart und dabei klar artikulierend die Präludien, Arien und barocken Tanzsätze scheinbar mühelos zu exquisiten Hörerlebnissen.

Luigi Cherubinis Requiem in d-Moll für dreistimmigen Männerchor und Orchester hatte KMD Gerhard Klumpp für Orgel und Pauke umgeschrieben und selbst den Orgelpart gespielt. Die Wiedergabe zeigte ein Werk, das über einer besinnlichen, oft resignativen Grundstimmung die Totenmesse eindrücklich gestaltete. Die Orgel stützte den Chor und brachte gelegentlich eigenständiges Kolorit ein wie in den Interludien des „Pie Jesu“; und Jens Gagelmanns Pauke hatte die dramatischen Akzente zu setzen, wenn beispielsweise im „Dies irae“ das jüngste Gericht angekündigt wurde. Der Chor, häufig mit geteilten Stimmen, zeigte gestalterischen Ausdruck, wenn er mit Verve die Verheißung „Quam olim Abrahae“ vortrug, und der Bass imponierte im „Agnus Dei“ mit seinen markanten „Requiem“-Rufen.

Der Jubilar Güller kam ebenfalls zu Gehör mit „Sei bereit“, ­einer Vertonung des melancholischen Morgenstern-Gedichtes „Wenn die Abendschatten steigen“, wozu sich der Chor in fünf Gruppen aufgeteilt hatte, um intonationssicher die Akustik des Raumes zu nutzen. Und mit „Schöne Nacht“ von Wilhelm ­Nagel nach einem Gedicht von Carl Hermann Busse verabschiedete sich das Ensemble von seinem begeistert applaudierenden Publikum.