Artikel aus der Ludwigsburger Zeitung vom 11. April 2023, Seite 5 – Von Harry Schmidt
Ludwigsburg. Das „Stabat Mater” ist wohl das bekannteste geistliche Werk von Giovanni Battista Pergolesi.. Die Vertonung des gleichnamigen mittelalterlichen Gedichts (“Stabat mater dolorosa” – „Es stand die Mutter schmerzensreich”), entstand 1736 wenige Wochen vor dem Tod des italienischen Komponisten im Alter von nur 26 Jahren.
Sein „Stabat Mater” war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunders eines der meistnachgedruckten Werke der Epoche. Ursprünglich für Alt, Sopran, Streicher und Basso continuo geschrieben, veröffentlichte der britische Organist Desmond Ratcliffe 1997 eine Bearbeitung für vierstimmigen Chor und Klavierbegleitung.
Knapp 3 Monate habe er sich mit den rund 60 Sängerinnen und Sängern des Philharmonischen Chors Ludwigsburg (PCL) darauf vorbereitet., Pergolesis „Stabat Mater” zum Osterwochenende aufzuführen, so PCL-Dirigent Ulrich Egerer im Gespräch mit der LKZ.
Am Karfreitag kam das Werk nun als Musik zur Sterbestunde Jesu in der Bönnigheimer Cyriakuskirche zu Gehör, anderntag in der Erlöserkirche in der Ludwigsburger Weststand. Musikalisch an der Schwelle vom Barock- zum Wiener Klassik stehend, nimmt Pergolesi hier den galanten Stil des Rokokozeitaltes auf. Die komplexe Polyphonie der Barockmusik tritt darin zugunsten kantabler Melodielinien in den Hintergrund, Gleichklang und Gesanglichkeit haben Vorrang vor Kontrapunkt und symmetrischer Strenge.
Um so mehr Gewicht erhalten Textverständlichkeit des lateinische Wortlauts (den das Programm auch in deutscher Übersetzung anbot) sowie innere Bewegung und Anteilnahme. Aus dem Duett des Kopfsatzes entwickelt Ratcliffe einen Wechselgesang der männlichen und weiblichen Stimmgruppen, wobei Sopranen und Tenören die Oberstimme zukommt.
Die Solosätze sind in Ratcliffes Arrangement den zugehörigen Stimmgruppen als homophobes Unisono zugeordnet – etwa im folgenden „Cujus animam gementem” (Ihre klagende Seele) dem Sopran. Im „Eja mater fons amoris” (Ach Mutter, Quelle der Liebe) glänzten die Altstimmen mit innigem Chorklang. Stimmungsvoll und dezent in der Begleitung, kreativ in Vor- und Nachspielen musizierte Sirma Velichkova auf dem kircheneigenen Orgelpositiv. Ausgesprochen gefühlvoll gestaltet war das zweiteilige „Quis est homo” (Wer ist der Mensch), gut getimt die Generalpause nach dem Largo und der Einsatz des Allegros.
In der Karwoche nachvollziehbar, doch dem Fluss der Musik abträglich war die Lesung der Passionsgeschichte aus dem Johannesevangelium in zudem unglücklicher Verteilung zwischen den zwölf Sätzen, steht doch dem ersten Teil als Schilderung ein zweiter als Fürbitte gegenüber, die Zäsur nach dem sechsten Satz blieb jedoch unmarkiert.
Eingeleitet wurde das Konzert mt dem „Kyrie” aus Antonin Dvoráks Messe in D-Dur (Op. 86): Energisch forderte Egerer mit beiden Händen leidenschaftlichen Einsatzm, prachtvoll ausgereizt erklangen die dynamischen Kontraste – ein Versuchsballon für ein möglicherweise kommendes PCL-Projekt, wie Egerer uns verriet. Zuvor steht aber am 14. Oktober (2023) das „Deutsche Requiem” von Johannes Brahms in der Ludwigsburger Friedenskirche an.